„Einige unserer Mitbürger hatten über der Hitze und der Pest den Kopf verloren, sich zu Gewalttaten hinreißen lassen und versucht, die Aufmerksamkeit der Wachen abzulenken, um aus der Stadt zu fliehen. Andere, wie Rombert, suchten ebenfalls, aus dieser Stimmung beginnender Panik zu entfliehen.
Aber sie taten es mit größerer Zähigkeit und mehr Geschick, wenn auch nicht mit mehr Erfolg. Sein Hauptgrund war immer der, dass er fremd war in unserer Stadt und dass sein Fall deshalb gesondert zu prüfen sei. Im Allgemeinen gaben die Leute das gern zu, aber meistens hielten sie ihm vor Augen, dass sich noch andere Menschen in dieser Lage befänden und dass infolgedessen seine Angelegenheit nicht so einzig dastehe, wie er es sich vorstelle.
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Rombert mochte erwidern, dass sich damit an seiner Beweisführung nichts ändere, worauf er zur Antwort erhielt, es ändere aber etwas an den verwaltungstechnischen Schwierigkeiten, die sich jeder Ausnahmebehandlung entgegenstellten, da man Gefahr laufe, damit einen Präzedenzfall zu schaffen – und diesen Ausdruck gebrauchte man nur mit großem Widerwillen. Nach der Einteilung, die Rombert Dr. Rieu vorschlug, gehörten diese Miesmacher zur Klasse der Formalisten. Außer ihnen gab es noch die Schönredner, die dem Bittsteller versicherten, das alles könne nicht lange dauern; die, wenn man Entscheidungen verlangte, vor guten Ratschlägen troffen und Rombert mit der Erklärung trösteten, es handele sich nur um eine vorübergehende Unannehmlichkeit. Dann gab es die Wichtigtuer, die den Besucher baten, seinen Fall schriftlich zusammenzufassen, und die ihm mitteilten, sie würden über eben diesen Fall beschließen. Die Leichtfertigen, die ihm Übernachtungsgutscheine oder Adressen billiger Pensionen anboten; die Planmäßigen, die einen Zettel ausfüllen ließen, den sie nachher einordneten; die Überbeanspruchten, die die Arme gen Himmel warfen – und jene Belästigten, die ihre Augen abwandten. Schließlich traf man am häufigsten die üblichen Beamten, die Rombert an ein anderes Büro wiesen oder ihm einen neuen Schritt empfahlen.“
Felix Lobrecht
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