Aldous Huxley: Zur Liebe zur Natur (Brave New World)
„Primroses [Primeln] and landscapes, he pointed out, have one grave defect: they are gratuitous. A love of nature keeps no factories busy. It was decided to abolish the love of nature, at any rate among the lower classes; to abolish the love of nature, but not the tendency to consume transport. For of course it was essential that they should keep on going to the country, even though they hated it. The problem was to find an economically sounder reason for consuming transport than a mere affection for primroses and landscapes. It was duly found.
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Art: Zitat aus Literatur |
Thema: Sport, Konsumgesellschaft, Dystopie, Gesellschaftskritik . |
Quelle: „Brave new World“, 1931 |
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„Primeln und Landschaft haben einen großen Nachteil: Sie sind kostenlos. Eine Liebe zur Natur lastet keine Fabriken aus. Man beschloss, die Liebe zur Natur abzuschaffen, jedenfalls bei den unteren Schichten; die Liebe zur Natur abzuschaffen, aber nicht die Neigung, Verkehrsmittel zu konsumieren. Denn natürlich war es unerlässlich, dass sie weiterhin aufs Land fuhren, auch wenn sie es hassten. Das Problem bestand darin, einen wirtschaftlich vernünftigeren Grund für den Verkehrskonsum zu finden als die bloße Zuneigung zu Primeln und Landschaften. Dieser Grund wurde gefunden.
„Wir konditionieren die Massen darauf, ländliche Gebiete zu hassen“, schloss der Direktor. „Aber gleichzeitig konditionieren wir sie dazu, alle Landsportarten zu lieben. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass alle Landsportarten mit der Benutzung aufwendiger Geräte verbunden sind. So dass sie nicht nur Transportmittel, sondern auch Industrieerzeugnisse konsumieren. Daher diese elektrischen Schocks.“
(Ausschnitt aus: „Brave New World“, 1931, eigene Übersetzung)
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Zum Autor: Aldous Huxley (1894–1963) war ein britischer Schriftsteller, Essayist und Kulturkritiker, der vor allem durch seinen dystopischen Roman „Brave New World“ (1932) bekannt wurde. In seinem Werk verband er naturwissenschaftliche Bildung, philosophisches Denken und eine tiefe Skepsis gegenüber technologischem Fortschritt. Huxley entstammte einer bekannten Intellektuellenfamilie – sein Großvater war der Biologe Thomas H. Huxley, ein prominenter Verteidiger Darwins. Huxleys Tehmen waren vor vor allem die Entfremdung des Menschen in einer technokratischen und fundamentalistischen Konsumgesellschaft. Seine Visionen über soziale Kontrolle durch Manipulation, Konsum und Konditionierung sind bis heute offensichtlich aktuell.
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Interpretation: Das Zitat thematisiert eine zentrale Strategie der totalitären Gesellschaft in „Brave New World“: Die systematische Ersetzung natürlicher Bedürfnisse durch künstlich erzeugte Konsumzwänge. Die Liebe zur Natur wird gezielt unterdrückt, weil sie wirtschaftlich unproduktiv ist. Stattdessen werden die Menschen darauf konditioniert, sportliche Aktivitäten in der Natur nur noch in Kombination mit kostenintensiver Freizeitgestaltung zu mögen – etwa durch Sportarten, die auf technische Geräte angewiesen sind. Die Konditionierung findet in seiner Dystopie im Embryostatium der Menschen mit Hilfe von Elektroschocks statt. Huxley kritisiert in dieser Passage, wie Ideologie, Ökonomie und Technologie Hand in Hand wirken, um die Menschen zu unterdrücken und eine Ständegesellschaft zu zementieren.
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Im Kontext der Zeit: Huxley schrieb „Brave New World“ in der Zwischenkriegszeit – in einer Ära extremer gesellschaftlicher Umbrüche, wachsender Industrialisierung und aufkommender Massenkultur bzw. einem durch und durch fordistischen Wirtschaftssystem. Die traumatischen Erfahrungen des Ersten Weltkriegs hatten das Vertrauen in den Fortschritt erschüttert. Huxley reagierte auf diese Entwicklungen mit einer radikalen Zukunftsvision, in der Stabilität, Konsum und Effizienz zum höchsten Gut erhoben werden – auf Kosten von Freiheit, Individualität, Menschlichkeit und Naturverbundenheit. Auch in Bezug auf den Neoliberalismus heute, als prägendes Paradigma, kann diese Kritik fast eins zu eins übertragen werden.
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