Erich Fromm zur „Kunst des Liebens“ im Kapitalismus/Neoliberalismus
„Unsere gesamte Kultur gründet sich auf die Lust am Kaufen, auf die Idee des für beide Seiten günstigen Tauschgeschäfts. […] Er (oder sie) sieht sich die Mitmenschen auf ähnliche Weise an. […]
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Art: Zitat aus Sachbuch |
Thema: Liebe, Psychologie, Neoliberalismus, Kapitalismus, Beziehungen, Menschen |
Quelle: „Passagen aus dem Buch „Die Kunst des Liebens“ * |
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Zum Autor: Erich Fromm (1900–1980) war ein deutsch-US-amerikanischer Sozialpsychologe, Psychoanalytiker und Humanist. Als wichtiges Mitglied der sog. Frankfurter Schule verband marxistische/antikapitalistische Gesellschaftsanalyse mit tiefenpsychologischen Konzepten. In Werken wie „Die Kunst des Liebens“ (1956) analysierte er die Bedingungen menschlicher Beziehungen in einer zunehmend entfremdeten, konsumorientierten Welt. Fromm kritisierte die Reduktion des Menschen auf seine ökonomische Funktion und plädierte für eine reife, selbstlose Liebesfähigkeit und menschliche Beziehungen, die nicht von ökonomischen Prinzipien geprägt sind.
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Interpretation: Fromm beschreibt Liebe nicht als spontanes Gefühl, sondern als Kunst – etwas, das erlernt und kultiviert werden muss. Der analysierte Abschnitt zeigt, wie sehr Liebesbeziehungen im Kapitalismus marktförmig strukturiert sind: Menschen betrachten sich selbst und andere als „Tauschobjekte“, deren Attraktivität an gesellschaftlichen Trends und Erfolgsaussichten gemessen wird. Gefühle werden ökonomisiert und werden entsprechend von persönlichen Marktwerten bestimmt. Fromm warnt davor, dass in einer solchen Logik Authentizität und Nähe verloren gehen.
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Im Kontext der Zeit: Fromm schrieb „Die Kunst des Liebens“ in den 1950er-Jahren – einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs in westlichen Ländern und der beginnenden Konsumgesellschaft. Die Erfahrung zweier Weltkriege lag noch frisch, zugleich wuchs eine neue unpolitische Mittelschicht heran. Fromm erkannte dabei früh die Schattenseite: einer solchen Gesellschaft, in der Menschen ihre Identität zunehmend über Besitz, Status und „Verkäuflichkeit“ definieren. Seine Analyse der Liebe als Ware war damals provokant. Auch heute, in Zeiten von Selbstoptimierung oder der Selbstvermarktung in Dating-Apps (siehe auch dieses Kapitel, PDF-Seite 125) wirkt seine Kritik sehr aktuell.
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* Buch in der Auflage von 2003 aus dem Ullstein Verlag | Übersetzung aus der englischen Originalausgabe „The Art of Loving“ von 1956.
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