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Tag Archives: Gedichte

Theodor Fontane: John Maynard

  • By zitate
  • Juni-11-2025
  • Alltag, Aufopferung, Ballade, gutezitate.net, Heldentum, Humanismus, Literatur, Schifffahrt, Theodor Fontane, zitat, Zitate
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„John Maynard!
„Wer ist John Maynard?“
„John Maynard war unser Steuermann,
Aushielt er bis er das Ufer gewann,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron’,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.“
.
Die „Schwalbe“ fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee,
Von Detroit fliegt sie nach Buffalo –
Die Herzen aber sind frei und froh,
Und die Passagiere, mit Kindern und Frau’n
Im Dämmerlicht schon das Ufer schau’n
Und plaudernd an John Maynard heran
Tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund’:
„Noch dreißig Minuten … Halbe Stund’.“
..
Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei –
Da klingt’s aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
„Feuer“ war es, was da klang,
Ein Qualm aus Kajütt’ und Luke drang,
Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.
.
Und die Passagiere, buntgemengt,
Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
Am Steuer aber lagert sich’s dicht,
Und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? wo?“
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo,
.
Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
Der Kapitän nach dem Steuer späht,
Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
„Noch da, John Maynard?“
 .
„Ja, Herr. Ich bin.“
„Auf den Strand. In die Brandung.“
„Ich halte drauf hin.“
Und das Schiffsvolk jubelt: „Halt aus. Halloh.“
Und noch zehn Minuten bis Buffalo.
„Noch da, John Maynard?“ Und Antwort schallt’s
Mit ersterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt’s“
Und in die Brandung, was Klippe was Stein,
Jagt er die „Schwalbe“ mitten hinein,
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo.
.
Das Schiff geborsten. Das Feuer verschweelt.
Gerettet alle. Nur Einer fehlt!
.
Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell’n
Himmelan aus Kirchen und Kapell’n,
Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
Ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr
Und kein Aug’ im Zuge, das thränenleer.
.
Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
Mit Blumen schließen sie das Grab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
„Hier ruht John Maynard. In Qualm und Brand,
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron’,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.“

Theodor Fontane

Art: Ballade Themen: Alltag, Seife, Aufopferung, Schifffahrt Quelle:
Wikisource.org
Hintergrund

 

Zum Autor: Theodor Fontane (1819–1898) war ein bedeutender deutscher Schriftsteller und Journalist. Er ist vor allem bekannt für seine Romane wie „Effi Briest“, aber auch seine Balladen gehören zum literarischen Werk. „John Maynard“ wurde 1886 veröffentlicht und erzählt die fiktive Geschichte eines amerikanischen Steuermanns, der sein Leben opfert, um die Passagiere eines brennenden Schiffs zu retten. Inspiriert wurde Fontane von einer wahren Begebenheit auf dem Eriesee, die er poetisch und dramatisch überhöht darstellt.
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Interpretation: „John Maynard“ steht exemplarisch für das Ideal eines selbstlosen Helden. Der Steuermann opfert sich, um die Passagiere des brennenden Schiffs zu retten – ohne Zögern, ohne Angst, mit klarem Sinn für Verantwortung. Die Spannung wird durch die zeitliche Staffelung bis zum Finale gesteigert, wodurch die Dramatik intensiv herüberkommt. Fontane verleiht der Figur eine fast mythische Dimension: John Maynard stirbt im Dienst an der Gemeinschaft, seine Tat wird zur Legende. Gleichzeitig ist die Ballade sprachlich schlicht gehalten – wohl auch um für die „einfachen Menschen“ wie ihn, der besungen wird, zu sprechen.
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Im Kontext der Zeit: Die Ballade entstand im Deutschen Kaiserreich, einer Epoche, in der Pflichterfüllung, Disziplin und Loyalität hochgehalten wurden. Fontanes Werk passt gut in dieses Weltbild, doch es geht über bloßen Patriotismus hinaus. „John Maynard“ spielt bewusst in Amerika – Fontane war zwar kritisch gegenüber nationalistischem Pathos, suchte aber universelle Werte, die über Grenzen hinweg gelten. Die Heldengeschichte ist dabei auch als Gegenentwurf zur egoistischen Moderne lesbar: Bei ihm steht das Individuum im Dienst der Gemeinschaft. Diese Idee hatte besonders im aufkommenden bürgerlichen Selbstverständnis des späten 19. Jahrhunderts große Strahlkraft. Bis heute bleibt die Ballade aktuell – vor allem wegen der klaren und erfassenden Sprache und humanistischen Grundaussage.

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Tags:
Alltag Aufopferung Ballade Gedichte gutezitate.net Heldentum Humanismus Literatur Schifffahrt Theodor Fontane Zitat zitate
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Abraham a Sancta Clara: Der Mensch ist ein Schaum

  • By zitate
  • Mai-17-2025
  • Abraham a Sancta Clara, Barock, Bonmot, Gedichte, gutezitate.net, zitat, Zitate
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„Der Mensch ist ein Schaum, der bald abfließt,
Eine Blum, die bald absprießt.
Der Mensch ist ein Fluß, der bald abrinnt,
Ein Kerzen, die bald abbrinnt.
Der Mensch ist ein Glas, das bald zerbricht,
Ein Traum, der haltet nicht.
Der Mensch ist bald hübsch und rot,
Auch bald darauf bleich und tot.
Der Mensch ist ein kurzer Lautenklang,
Aber auch bald Sterbegesang.
Der Mensch ist alles Unglücks Spiel
Und aller Not gemeinsam Ziel.“

Abraham a Sancta Clara

Art:
Gedicht
Thema: Leben, Tod, Mensch, Humor
Quelle: Planetlyrik.de
(nach 1680)
Hintergrund


Zum Autor:
Der österreichische Prediger und Schriftsteller Abraham a Sancta Clara (1644–1709), auch bekannt als Johann Ulrich Megerle, stammte aus Österreich. Er diente am kaiserlichen Hof in Wien als katholischer Geistlicher und erlangte Bekanntheit durch seine drastische Sprache und volkstümliche Rhetorik. Um moralische Botschaften zu vermitteln, verwendete er Humor, Ironie und Übertreibung – häufig begleitet von starken Darstellungen von Tod, Vergänglichkeit und menschlicher Torheit. Seine Schriften, vor allem Predigten in poetischer Form, waren für ein breites Publikum konzipiert und verknüpften Frömmigkeit mit Kritik an der Gesellschaft..

Interpretation: Dieses Gedicht präsentiert eine Darstellung der Vergänglichkeit des Menschen. Der Mensch ist wie ein Schaum, eine Blume, etc. – alles vergängliche und zerbrechliche Phänomene. Jeder Vers erhöht die Vergänglichkeit des Lebens – es vergeht alles Schöne, und der Mensch macht dabei keine Ausnahme. Die Sprache ist unkompliziert, eindrucksvoll, hat einen deutlichen Rhythmus und betont die Grundaussage durch Wiederholungen. Das Ganze erscheint jedoch auf eine morbide Weise auch bewusst oder unfreiwillig komisch.

Im Kontext der Zeit: Das Gedicht wurde im späten 17. Jahrhundert verfasst. Diese Zeit war geprägt von Kriegen, Seuchen (wie der Pest), Naturkatastrophen und politischer Instabilität. Die Auseinandersetzung mit dem Tod und der Vergänglichkeit war in diesem sozialen Umfeld nicht unüblich, sondern war ein integraler Bestandteil der religiösen und weltlichen Kommunikation. Die Darstellung der vermeintlichen Nichtigkeit des Irdischen war eine der verschiedenen Formen dieses Motivs, das in der Barockliteratur verwendet wurde. Abraham a Sancta Clara gehörte zu den bedeutenden Schriftsteller*innen dieser Gattung. Seine Texte waren religiöse Aufforderung und soziale Diagnose. Er versuchte, durch drastische Metaphern eine Leitlinie für das Leben zu schaffen – nicht durch Verklärung, sondern durch einen schonungslosen Umgang mit der Endlichkeit des Menschen. Dieses Gedicht veranschaulicht die barocke Weltanschauung: das Leben als Spielball des Schicksals, der Mensch als Ziel aller Schwierigkeiten – und der Tod als einzige Gewissheit.

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Tags:
Abraham a Sancta Clara Barock Bonmot Gedichte gutezitate gutezitate.net Literatur Zitat zitate
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Hans Magnus Enzensberger: „Die Seife“

  • By zitate
  • Apr.-28-2025
  • Absurd, Alltag, Aufopferung, Gedichte, gutezitate.net, Hans Magnus Enzensberger, Literatur, Seife, Sinne, zitat, Zitate
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„Wie stolz sie war, wie üppig sie anfangs geduftet hat!
Durch wie viele Hände sie gegangen ist,
wie entsagungsvoll sie gedient hat.
Und immer von neuem war da der Dreck.
Unbefleckt ist sie geblieben.
Klaglos hat sie sich selber verzehrt.
So ist sie immer kleiner und kleiner geworden,
unmerklich, dünn, beinahe durchsichtig,
bis sie eines Morgens vollkommen
verschwunden war.

Hans Magnus Enzensberger

Art: Gedicht Themen: Alltag, Seife,
Aufopferung, Sinne
Quelle:
Faz.net
Hintergrund

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Zum Autor: Hans Magnus Enzensberger (1929–2022) war ein bedeutender deutscher Schriftsteller, Lyriker, Essayist und Herausgeber. Er galt als einer der einflussreichsten Intellektuellen der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik und war bekannt für seine politische Wachsamkeit, seine sprachliche Präzision sowie seine kritische Haltung gegenüber ideologischer Vereinnahmung. Enzensberger war Mitbegründer der Zeitschrift „Kursbuch“ und prägte mit seinen Arbeiten das kulturelle und gesellschaftliche Leben in Deutschland über Jahrzehnte hinweg. Seine Texte verbinden häufig literarischen Anspruch mit politischem Engagement. Sein Werk umfasst Lyrik, Prosa, Hörspiele, politische Essays und Kinderbücher.
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Interpretation: Das Gedicht beschreibt den Lebensweg einer Seife – metaphorisch dargestellt als ein stilles, dienendes Wesen, das in Würde vergeht. Anfangs wird sie als stolz und wohlriechend beschrieben, doch mit der Zeit verliert sie an Substanz, wird beschmutzt, bleibt jedoch innerlich rein. Vermittelt wird ein Bild von Aufopferung, Reinheit und Beständigkeit in einer schmutzigen, fordernden Welt. Der Dreck kann auch als ironische Anspielung gesehen werden an Spießigkeit und Reinlichkeitswahn als vermeintlich typisch deutsche „Tugenden“. Auch christliche bzw. religiöse Motive von Askese und Selbstaufgabe lassen sich hineindeuten. Enzensberger verzichtet auf Pathos, aber ist überaus ironisch, wenn er einem solch profanen Alltagsgegenstand ein solches Gedicht in allem Ernst und aller Hingabe schreibt.
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Im Kontext der Zeit: Das Gedicht ist typisch für Enzensbergers feinsinnige, gesellschaftlich grundierte Dichtung der späten Nachkriegszeit und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In einer Ära, die von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt war, richtet er den Blick auf das Unspektakuläre, das Übersehene: die Seife als Symbol für Bescheidenheit oder Banalität. In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs und wachsender Ich-Bezogenheit wirkt diese Darstellung wie eine Mahnung an „alte“ Werte wie Hingabe, und Würde, ohne diese Betonung der Werte allzu ernst zu nehmen. Zugleich lässt sich dieser Gegenstand als Sinnbild für jene Menschen deuten, die im Schatten der Geschichte wirken – unbeachtet, doch essenziell. Vielleicht ist er selber gemeint (?). Das Gedicht spiegelt somit auch eine Form von Kritik an einer Gesellschaft, die den leisen Wert des Dienens oft nicht mehr zu schätzen weiß. Es passt in Enzensbergers Gesamtwerk, das sich immer wieder mit den kleinen, übersehenen Existenzen auseinandersetzt – mit klarer Sprache und hintersinniger Ironie.

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Tags:
Absurd Alltag Gedichte gutezitate.net Hans Magnus Enzensberger Literatur Sinne Zitat zitate
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