Erich Fromm zur modernen Medizin
„Eine Meinung, die man häufig findet: Das einzige, was Menschen hilft, ist Medizin.
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Art: Zitat aus Vortrag |
Thema: Bonmot |
Quelle: „Psychologie für Nichtpsychologen“ (Auszüge aus einem Vortrag), 1973. |
Zum Autor: Erich Fromm (1900–1980) war ein deutsch-amerikanischer Psychoanalytiker, Sozialphilosoph und Gesellschaftskritiker. Er studierte Soziologie, Psychologie und Philosophie und war wichtiges Mitglied der Frankfurter Schule. 1934 emigrierte er in die USA. Fromm kombinierte psychoanalytische Theorie mit gesellschaftskritischer Analyse. Dabei setzte er sich intensiv mit Fragen nach Emotionalität in der kapitalistischen Gesellschaft, mit Entfremdung, Konsum und dem Sinn des Lebens auseinander. Werke wie „Haben oder Sein“, „Die Kunst des Liebens“ oder „Die Furcht vor der Freiheit“ machten ihn international bekannt. Er verstand sich als Humanist, der den Zustand der modernen Gesellschaft kritisierte und den Menschen in den Mittelpunkt stellte.
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Interpretation: In dem Zitat aus „Psychologie für Nichtpsychologen“ kritisiert Fromm eine weitverbreitete Haltung der modernen Gesellschaft: die Hoffnung auf schnelle, technische Lösungen – insbesondere in Form von Medikamenten – bei psychischen und existenziellen Problemen. Seine Aussage gilt heute genauso wie damals: Komplexe Lösungen, die Anstrengung und Nachdenken erfordern, werden heute vielfach zugunsten vermeintlich einfacherer
technisch-medizinischer Lösungen verdrängt.
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Im Kontext der Zeit: Der Vortrag stammt aus dem Jahr 1973 – einer Zeit zunehmender Technisierung, wachsender Konsumgesellschaft und sich verändernder Lebenswelten. In den westlichen Industrieländern begannen auch psychische Erkrankungen sichtbarer zu werden, aber auch zunehmend pharmazeutisch behandelt zu werden – mit Psychopharmaka als vermeintlich unkomplizierter Ausweg. Fromm, der stets eine ganzheitliche Sichtweise vertrat, kritisierte diese Entwicklung früh und scharf. Für ihn war das menschliche Leiden nicht bloß ein medizinisches Problem, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Entfremdung. Seine Warnung vor einer entmenschlichenden Technokratie und einer oberflächlichen Lösungskultur war zu seiner Zeit hochaktuell. Übertragen werden kann das alles auch auf das Thema der hormonellen Verhütung in unserer Gesellschaft, die häufig trotz gefährlicher Nebenwirkungen gegenüber „anstrengenderen“ nicht-hormonellen Methoden vorgezogen werden. Obwohl die „Segnungen“ der modernen Medizin viele Vorteile bringen, sollten sie nicht unkritisch und unreflektiert zur Anwendung kommen.
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