Hans Magnus Enzensberger – Sitzstreik
„Der Buddha nimmt die Beine in die Hand.
|
||
| Art: Gedicht . |
Thema: Neoliberalismus, Widerstand, Fortschritt, Existentialismus, 68er, Humor |
Quelle: Neoliberalyse.de |
Zum Autor: Hans Magnus Enzensberger (1929–2022) war einer der interessantesten und kritischsten intellektuellen deutschen Schriftsteller*innen des 20. Jahrhunderts. Als kritischer Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen verband er analytischen Scharfsinn mit literarischer Eleganz – mit einer Prise Humor. Enzensberger war auch ein politisch denkender Autor, der die Weltsicht der 68er-Generation begleitete und danach kritisch blieb, während andere, vor allem in der Politik, sich dem „System“ anbiederten. Seine Werke durchziehen die Jahrzehnte deutscher Geschichte nach dem 2. Weltkrieg wider.
.
Interpretation: Das Gedicht spielt ironisch mit dem Bild von Bewegung und Stillstand. Es nimmt Bilder und Klischees von Geschwindigkeit, Modernität und Fortschritt auf und kombiniert diese gezielt mit Bildern von Langsamkeit und Stagnation (Buddah, Schnecke, Fixsterne, Ewigkeit). Hierdurch entsteht Absurdität („die Schnecke verrennt sich“). Enzensberger stellt damit die Frage nach dem Sinn von Fortschritt.
.
Im Kontext der Zeit: In einer beschleunigten Welt, in der alles dem Fortschritt untergeordnet scheint, wirkt sein Innehalten wie ein Akt des passiven Widerstands bzw. der Subversion. Im Lichte von permanenter Erreichbarkeit, Geschwindigkeit und technologischem Fortschritt, entfaltet die bewusste Verweigerung von Bewegung eine radikale Kraft.
Die in unserer Gesellschaft allgemein positiv konnotierten Worte des Fortschritts erscheinen plötzlich lächerlich. Dies wird dadurch verstärkt, dass sogar die Repräsentanten von Geschwindigkeit (Rakete, Fortschritt, Eilbote) nicht so recht zu funktionieren scheinen.
Das Einzige, was klar ist und Bestand hat, ist die Gewissheit, nichts mit diesem stotternden Fortschrittssystem zu tun haben zu wollen. Diese Abgrenzung kann klar als Ablehnung einer neoliberalen Gesellschaft gesehen werden, deren Ideologie karikiert wird. Das Gedicht stellt einen präzise gesetzten Seitenhieb auf einen Zeitgeist dar, dessen Mantren von Fortschritt und Geschwindigkeit ohne Substanz sind, aber dafür mit um so mehr Pathos proklamiert werden.
.
.
.